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13.12.2023

«Also knusprig bist du nicht mehr!»

Die Eheleute Klauser in ihrem Zuhause an der Dübendorferstrasse, wo sie seit fast 40 Jahren daheim sind.
Die Eheleute Klauser in ihrem Zuhause an der Dübendorferstrasse, wo sie seit fast 40 Jahren daheim sind. Bild: zVg
Mehr als 70 Jahre verheiratet – was sich unglaublich anhört, ist im Falle meiner Grosseltern Josefine und Jakob Klauser Tatsache: Sie feierten am 1. Dezember 2023 ihr 72-Jahr-Jubiläum, die sogenannte Gnadenhochzeit.

Kennengelernt haben sich Josefine Kaintz und Jakob Klauser in einem Restaurant. Meine Grossmutter, gebürtige Österreicherin, kam mit zarten 19 Jahren aus Abenteuerlust in die Schweiz, um im Ostschweizer Restaurant Ritzenhüsli zu arbeiten. Das Schicksal wollte es, dass mein Grossvater hier ab und zu einkehrte: Er war auf dem Hof Krähenberg im Toggenburg, der gleich oberhalb des Gasthofs lag, aufgewachsen.

Mit Wildlederstiefeln überzeugt

Mein Grossvater sagt, er hätte meine Grossmutter sofort bemerkt und sie hätte ihm gleich gefallen. Sie hingegen meint: «Er fiel mir nicht sofort positiv auf, zuerst dachte ich: ‹Das isch jetzt echli en Komische›» und lacht. Aber er blieb hartnäckig und ging nun öfters ins Gasthaus, bis er den Mut hatte, sie einzuladen: «Wir gingen gemeinsam nach St. Gallen, und ich kaufte ihr ein paar Schuhe.» Auch sie erinnert sich schmunzelnd: «Es waren schwarze Wildlederstiefel, oben konnte ich sie umklappen und es kam ein weisser Pelz zum Vorschein. Sie gefielen mir sehr und ich trug sie ständig, auch wenn es viel zu heiss dafür war!»

Es kam anders als geplant

Ursprünglich wollte meine Oma nur ein Jahr in der Schweiz bleiben – es kam anders. Im Mai 1952 kam mein Vater Walter zur Welt, der älteste von drei Söhnen. Mein Grossvater hielt traditionell bei den Eltern meiner Grossmutter um ihre Hand an. «Meiner Mutter fiel es nicht leicht, mich gehen zu lassen, die Schweiz war ihr zu weit weg. Aber sie hatte ja keine Wahl.» Am 1. Dezember 1952 heirateten die beiden im sanktgallischen Bichwil in kleinem familiären Rahmen.

170 Franken im Monat

Das Paar lebte damals mit dem Baby in einer Wohnung in Zürich-Höngg, die rund 170.– (!) im Monat kostete. Mit den ca. 400.–, die mein Grossvater monatlich bei der Post verdiente, war dies dennoch zu teuer und sie zogen, als mein Vater 7  Monate alt war, nach Schwamendingen um. Hier folgten auch zwei weitere Kinder, Jakob und René. Alle drei Buben gingen im Kreis 12 zur Schule. 1986 folgte nochmals ein Umzug, vom Glattbogen an die Dübendorferstrasse. Hier sind sie noch heute, fast 40 Jahre später. «Und jetzt bleiben wir noch einmal 40 Jahre», witzelt mein Opa.

Arbeiten, um Familie zu ernähren

Mein Grossvater war immer ein «Chrampfer». Um die Familie durchzubringen, arbeitete er oft in mehreren Jobs gleichzeitig. «Ich habe Stimmen ausgezählt für die Stadt Zürich, habe für ein grosses Schweizer Verlagshaus im Nachtdienst mehrere Jahre lang Zeitungen verschickt, und das immer parallel zu meinem Hauptjob bei der Post, bei der ich bis zur Pension tätig war», erzählt er.

Dass er so viel arbeitete, blieb natürlich nicht unbemerkt, bei seinen Arbeitgebern war er sehr beliebt. Auch wenn es finanziell nicht für grosse Sprünge reichte, das Paar war zufrieden: «Wir hatten es schön, wir gingen oft wandern. Und ich hatte Glück, dass ich bei der Post die Karriereleiter aufsteigen und schliesslich Filialleiter werden konnte.»

Seite an Seite bei der Post

Auch meine Grossmutter arbeitete zusätzlich zur Familienarbeit: Als der jüngste Sohn 7-jährig war, stieg sie mit meinem Grossvater bei der Post ein und 15 Jahre lang arbeiteten sie Seite an Seite. Natürlich war ihr gemeinsames Leben nicht nur von Eitel Sonnenschein geprägt, es gab auch einige schwere Schicksalsschläge zu verarbeiten.

So starb etwa ihr jüngster Sohn René mit nur 41 Jahren. Kraft gaben den beiden neben ihrer positiven Lebenseinstellung auch ihr Glauben und die Familie: Neben drei Enkeln haben sie inzwischen auch drei Urenkel.

«Guter Mann, guter Vater»

Ich frage die beiden, ob sie nochmals heiraten würden: «Jawohl!», kommt es bei ihm wie aus der Pistole geschossen. Oma lacht und sagt: «Also knusprig bist du nicht mehr!» Dann wird sie ernst und überlegt, bevor sie sagt: «Wenn er mehr Verantwortung übernehmen würde in der Erziehung, dann ja. Ich war für die Kinder immer die Strenge, er hatte oft keine Zeit, weil er so viel arbeitete. Aber er war ein guter Mann und ein guter Vater», sie bekommt feuchte Augen. Und er ergänzt: Stell dir mal vor, 72 Jahre! Ich habe das grosse Los gezogen!»

Die ganze Familie gratuliert von Herzen – «Oma und Opa, ihr sind die Beschtä!»

Rahel Klauser