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02.07.2024

Jungreiterin Brooke Schmid auf dem Weg zur Europameisterschaft

Brooke Schmid hat die Zügel fest in der Hand – die Resultate sprechen für sich. Hier mit dem 18-jährigen Schimmel Balou (l.), der gerade das Pensionsalter erreicht hat, und dem 14-jährigen Mathurin van de Vogelzang, welcher sich auf dem Höhepunkt befindet.
Brooke Schmid hat die Zügel fest in der Hand – die Resultate sprechen für sich. Hier mit dem 18-jährigen Schimmel Balou (l.), der gerade das Pensionsalter erreicht hat, und dem 14-jährigen Mathurin van de Vogelzang, welcher sich auf dem Höhepunkt befindet. Bild: Sandro Zoller, Schaffhausen24
Mit zwölf Jahren erhielt sie ein Pony und mit 16 ihr erstes Pferd. Die Leidenschaft für das Reiten entwickelte sich bereits im fünften Lebensjahr und blieb keine Schwärmerei eines kleinen Kindes. Im Gegenteil: Bei den «Jungen Reitern» gehört Brooke Schmid in der Schweiz zu den Besten. Dieses Jahr wurde sie Schweizermeisterin im Vielseitigkeitsreiten und nimmt bald an ihrer ersten EM teil. Ein kostspieliger und zeitintensiver Sport.

«Mit fünf wollte ich Reiten lernen. Meine Mutter stempelte es direkt als Traum und Flause vieler kleiner Mädchen ab. Nach ein paar Lektionen würde die Lust wieder vergehen. Die Freude daran ist aber nie abgeflacht», erzählt Brooke Schmid strahlend bei einem Rundgang auf dem Gut Weiherhof in Radolfzell. Sechs bis sieben Tage in der Woche besucht die 21-jährige Schaffhauserin ihre Pferde, um sie zu reiten und zu trainieren. In dieser Intensität werde sie dem Sport sicherlich noch bis zum Ende des Studiums nachgehen. Wie es danach aussehe, komme auf die berufliche Karriere an.

Vom Pony zum Pferd

Brooke Schmids Mutter wuchs auf einem Bauernhof im Freudental auf und hat ihr oft von ihren Ponys erzählt. Sie selbst ist in San Francisco geboren und im zarten Alter von 3,5 Jahren, zusammen mit ihrer Mama, von der US-Westküste an den Rhein umgezogen. «Bis und mit der Matura habe ich alle Schulen in Schaffhausen absolviert», so Brooke Schmid. Aktuell ist sie im zweiten Semester an der Uni Zürich in Oerlikon und studiert Vergleichende Sprachwissenschaften auf Englisch sowie Sozialwissenschaften.

Mit zwölf Jahren erhielt sie ein eigenes Pony. «Die Grösse des Tieres macht das Üben für Kinder einfacher», erklärt die Reiterin im Gespräch mit dem «Bock». Ihr tierischer Trainingspartner hiess Elvis und hatte wie sein Namensvetter eine wilde Mähne. «Er war kein Sportpony, aber ich mochte ihn sehr.» Schweren Herzens musste sie ihn weggeben, als sie mit 16 ein Pferd aus Schweizer Zucht kaufte. «Er brauchte sehr viel Aufmerksamkeit und wäre mit der neuen Situation kaum klargekommen. In Stetten fand er ein neues Zuhause bei einer Familie mit drei Kindern. Das Beste, was ihm passieren konnte», sagt Brooke Schmid mit einem Hauch von Wehmut in der Stimme.

Mit Giandra vom Schlösslihof, welche beim Kauf vier Jahre alt war, sei der Start nicht leicht gewesen gewesen, erinnert sich die Schaffhauserin zurück: «Ich sah mit der Stute keine Zukunft, da sie in jungen Jahren eigensinnig war und wollte sie verkaufen. Hingegen meine Mutter glaubte an sie.» Es sei eine grosse Erleichterung, dass bei Giandra der Knopf aufgegangen sei. «Nun fühle ich mich wirklich sicher mit ihr.»
Vor 1,5 Jahren erhielt die Patchwork-Familie mit Mathurin van de Vogelzang weiteren Zuwachs. Den Namen erhielt er, wie die meisten Pferde, vom Züchter. Diesen behalten die Tiere auch in den neuen Besitzverhältnissen bei. «Im Stall werden sie aber meistens mit einem anderen Namen angesprochen. Mathurin ist da einfach Bob», sagt Brooke Schmid schmunzelnd. Mit ihm hat sie sich zudem für die im August stattfindende Europameisterschaft der Jungen Reiter qualifiziert.

Hoch hinausspringen

Mit 16 sei alles rasant gelaufen. Der 1900 gegründete Verband Swiss Equestrian hat die junge Sportlerin kontaktiert und angefragt, ob sie an der Selektion für das Junioren Kader teilnehmen wollte. «Dieses Angebot nahm ich sehr gerne an. Während einer Sichtungsprüfung sowie einem Sporttest musste ich mich beweisen», erinnert sich die EM-Teilnehmerin. Danach war ihr der Platz in den Rängen der Junioren gewiss – maximal bis zum 18. Lebensjahr. Aufgrund von Corona sei es ihr nicht möglich gewesen, genügend Resultate für eine Qualifizierung des Schweizer Nationalkaders der Jungen Reiter zu sammeln. «Jeden November sitzen die Verantwortlichen zusammen und entscheiden, welche Vielseitigkeitsreiter:innen aufgenommen werden. Da ich im 2023 genügend Ergebnisse mit allen drei Pferden gesammelt habe, durfte ich erneut dem Nationalkader beitreten.» Die damit verbundenen Möglichkeiten des Förderprogramms nahm sie intensiv wahr. So führte sie der Turnierkalender von Rom, Polen, Radolfzell über die Niederlande bis zu den Schweizermeisterschaften in Avenches. Letztere konnte sie für sich entscheiden – endlich, so Brooke Schmid: «Bei der Schweizermeisterschaft 2023 verpasste ich den ersten Platz wegen einer Sekunde Überzeit im Gelände. Das nagte schon an meinem Ego.»

Nächster Halt: erste Teilnahme an einer Europa Meisterschaft. Diese sei vergleichsweise schwerer als internationale Turniere auf diesem Level. Ihr Ziel sei es, unter die Top 10 zu gelangen. Die «Reife» dazu musste sie sich zwangsweise an Turnieren ausserhalb der Schweiz erarbeiten. «Die Anzahl an 3*-Prüfungen ist im Inland viel zu gering. Dieses Jahr fand nur eine statt. Es gibt lediglich ein internationales Turnier, alle anderen sind national und unter dem internationalen Level.» Ihre Ambitionen sind weiterhin gross. Im kommenden Jahr will sie deshalb die Konkurrenz auf Level 4* «angreifen». Dies wäre zudem die Anforderung für eine Schweizer Teilnahme an den Olympischen Spielen sowie Nationenpreise. Hingegen 5* würden nur eine handverlesene Anzahl an absoluten Spitzenreiter:innen absolvieren.

24/7 für den Reitsport

«In der Region gibt es wenige Pferdehöfe, welche die Möglichkeit bieten, intensiv Vielseitigkeitsreiten zu trainieren. Der hier in Radolfzell erfüllt alle Anforderungen betreffend Anreisezeit und Qualität. Zudem bin ich näher bei meinem Haupttrainer Felix Vogg, der momentan auf Rang 23 der Weltrangliste ist», erklärt die Reiterin. Auf 140 Hektaren stehe das leibliche Wohl der Tiere im Mittelpunkt. Ihre beiden Pferde, sowie das der Mutter, sind da stationiert. Dreimal pro Tag erhalten die Tiere Kraftfutter vom Personal und werden zweimal täglich ausgemistet. Im Sommer kommen die Pferde den ganzen Morgen auf die Weide und im Winter ins Karussell. «Im Schnitt bin ich sechs Tage die Woche bei meinen Pferden zum Reiten und Trainieren. Da sie bis vier Mahlzeiten benötigen, gebe ich ihnen essenzielle Mineralien und Öle», sagt Brooke Schmid, während sie Giandra für eine Foto-Session hübsch macht. Auf dem Weg zum entsprechenden Ort schwärmt die Schaffhauserin von der Kirschblütenallee auf dem eleganten und weitläufigen Anwesen. «Im Frühling reite ich liebend gerne durch die blühend weisse Pracht.»

Einer ihrer Lieblingsplätze sei eine Wiese mit unterschiedlichen Arten von Geländehürden inklusive einem Wasserkomplex mit Hindernissen aus Holz. Dort vollführe sie das Training für das «Motocross der Pferdereiter». Eine Woche setze sich aus mehreren Übungsblöcken zusammen: zwei bis drei Dressur- und eine Springstunde bei einem Privatlehrer oder einer Privatlehrerin, Gymnastizieren und Ausreiten in Eigenregie sowie ein 40-minütiges pausenloses Konditionstraining am Hang, zählt die fokussierte Sportlerin auf: «Letztes ist sehr wichtig für die hintere Hüft- und Beinmuskulatur des Pferdes – nicht nur für junge Pferde. Meine Mutter und ihr Schimmel Balou begleiten mich dabei. Das dritte Pferd nehme ich als Handpferd am Strick mit.» Vor einem Turnier seien weitere spezifische Trainingseinheiten eingeplant, ausser Springen, um eine zu grosse Belastung der Beine zu verhindern. Danach stünde eine halb- bis wöchige Recovery-Zeit an.

Um die Tiere fit und gesund zu halten, lege sie ihnen alle drei Tage eine Magnetdecke sowie eine Haube zur Lichttherapie an. Dies soll der Durchblutung, Regeneration, Förderung des Wohlbefindens und Entspannung dienen. Im Zweimonatsrhythmus nehme sich zudem ein Chiropraktiker der muskulösen Vierbeiner an.

Ein Erlebnis, das nachhallt

Nach der Maturaprüfung sei ihr nicht klar gewesen, wohin der Weg sie führen soll. Deshalb entschied sich Brooke Schmid, die Zeit zum Nachdenken mit dem Pferdesport zu verknüpfen: «Ab Mitte Juli 2022 ging ich für drei Monate in die Pferde-Pension von Chris Bartle. Das Training mit dem Experten tat nicht nur den Pferden gut, sondern half auch mir mehr Verantwortung zu übernehmen und selbständiger zu werden.» Der englische Nationaltrainer besitzt einen Hof in Yorkshire. Die Strecke musste sie mit dem Auto inklusive Anhänger überwinden. «Die französische Hafenstadt Calais ist auf Reiter:innen eingestellt und bietet Stallungen für die Tiere an.» Wenn Chris Bartle vor Ort war, habe sie bei ihm Lektionen erhalten. «Die Bedingungen für Reiter:innen sind in England hervorragend. Während in der Schweiz ein Turnier pro Monat stattfindet, können auf der Insel drei bis vier Turniere pro Wochenende besucht werden.» Die nächste Auslandsreise führe sie womöglich nach Frankreich, so Brooke Schmid: «Dann kann ich dabei auch noch besser Französisch lernen.»

Bild: Sandro Zoller, Schaffhausen24
Sandro Zoller, Schaffhausen24