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Kanton
08.11.2025

Ein langes Wahljahr geht zu Ende – und der Plakatwald hält länger als das Herbstlaub

Bild: Nina Suma
Es war ein politisches Dauerjahr im Kanton Aargau, welches sich nun bald dem Ende zuneigt. Die Aargauer Wählerinnen und Wähler bestimmen die Mitglieder des Gemeinde-/ Stadtrats in ihrer Wohngemeinde immer im gleichen Jahr. Auch die Mitglieder der zehn Einwohnerräte werden im selben Jahr gewählt.

Eine Kolumne von Marcel Bruggisser.

 

Ein politisches Dauerjahr im Kanton Aargau

Es war ein politisches Dauerjahr im Kanton Aargau, welches sich nun bald dem Ende zuneigt. Die Aargauer Wählerinnen und Wähler bestimmen die Mitglieder des Gemeinde-/ Stadtrats in ihrer Wohngemeinde immer im gleichen Jahr. Auch die Mitglieder der zehn Einwohnerräte werden im selben Jahr gewählt. Die Wahltermine sind unterschiedlich, was dazu führt, das zum Beispiel in Zofingen, die abgewählte Stadtpräsidentin noch beinahe ein Jahr weiter im Amt ist.

Ein Wald aus Plakaten

Am 28. September fanden die Stadtratswahlen in Aarau statt. Unmittelbar anschliessend begann der Wahlkampf für den Einwohnerrat. Die Tatsache, dass ein zweiter Wahlgang für den Stadtrat notwendig wurde, führte dazu, dass während draussen die Herbstblätter fallen, an den Strassenrändern ein anderer Wald weiter in die Höhe wuchs: der Plakatwald. Er trotzt Wind, Wetter und Müdigkeit. Während Ahorn, Buche und Kastanie ihre letzten Blätter loslassen, halten sich die lächelnden Kandidierenden hartnäckig fest – meist mit Kabelbindern an den Kandelabern befestigt. Ein botanisches Wunder des politischen Marketings. Und vielleicht das einzige Gewächs, das im November noch Saison hat.

Zwischen Ärgernis und Zweck

Der Plakatwald stört verständlicherweise viele Menschen und führt auch regelmässig zu politischen Vorstössen, welche diese Art des Wahlkampfs beschränken wollen. Die Stadt Aarau hat neu ebenfalls Zonen definiert, an denen keine Plakate aufgehängt werden dürfen. Klar, niemand freut sich über noch ein lächelndes Gesicht zwischen Kreisel und Schulhaus, wenn daneben schon das Laub in Containern landet und die Bäume kahl werden. Trotzdem: Er erfüllt seinen Zweck. Gerade für Kandidatinnen und Kandidaten mit kleinem Wahlbudget sind Plakate eines der wenigen Mittel, um überhaupt sichtbar zu werden. Nicht alle können Social-Media-Teams, professionelle Videos oder Inseratekampagnen finanzieren. Kabelbinder (von der grossen Sorte), ein Plakatsujet, ein guter Standort und der Einsatz auf der Leiter beim Plakataufhängen (häufig über Nacht) – manchmal ist das die politische Eintrittskarte in die Wahrnehmung der Bevölkerung. Und Sichtbarkeit ist, ob es uns gefällt oder nicht, ein Teil von Demokratie. Sichtbarkeit ist wichtig, weil politische Entscheidungen erst dann getroffen werden können, wenn Menschen wissen, wer sie trifft. In einer Demokratie wählen wir keine Ideen im luftleeren Raum, sondern Personen, die sie vertreten. Wer nicht sichtbar ist, findet schlicht nicht statt – und wer nicht stattfindet, wird nicht gewählt. Sichtbarkeit schafft somit erst die Grundlage dafür, dass Wählerinnen und Wähler eine informierte Entscheidung treffen können.

Aufräumen nach dem Wahlkampf

Aber eines ist sicher: wenn der letzte Wahlzettel ausgezählt ist, gilt es auch für die Plakate: Danke, gut war’s – und bitte wieder weg damit. Im Einwohnerrat Aarau wurde nun angestossen, dass man das dieses Jahr koordiniert angehen will, also jede Partei/Fraktion in einem bestimmten Abschnitt nicht nur die eigenen, sondern alle Plakate abhängen soll. Ein sinnvoller Schritt, denn Ordnung gehört genauso zur politischen Kultur wie Wettbewerb. Doch eine Frage bleibt: Wer räumt jene Plakate ab, die so hoch hängen, dass man eine Spezialleiter – oder beinahe schon eine Feuerwehr-Drehleiter – bräuchte? Wahlkampf-Eifer kennt offenbar keine

Wer hoch hinaus will

Höhenangst. Vielleicht wäre das ein Vorschlag fürs nächste Reglement: Wer hoch hinaus will, soll nicht nur Ambitionen mitbringen, sondern auch eine Abbau-Strategie.

Aarau24