Mit deutlichen Worten wenden sich Vreni Jean-Richard und Rafael Odermatt aus Aarau an die Mitglieder des Grossen Rates des Kantons Aargau. In einem offenen Brief kritisieren sie die jüngste Budgetdebatte und insbesondere den Verzicht auf einen Teuerungsausgleich für verschiedene Berufsgruppen im Service public.
«Wir sind keine Budgetlinien», schreiben die beiden und erinnern daran, dass im Aargau rund 750’000 Menschen leben, die vom politischen Handeln direkt betroffen sind.
Lehrpersonen und Polizei im Fokus
Als Beispiel nennen die Verfassenden die Situation der Lehrpersonen. Diese engagierten sich weit über das ordentliche Pensum hinaus, seien jedoch zunehmend von Überlastung betroffen. «An unserer Primarschule reicht eine Hand nicht mehr aus, um die Burnout-Fälle der letzten Jahre zu zählen», heisst es im Schreiben. Gleichzeitig werde es immer schwieriger, offene Stellen mit qualifizierten Fachkräften zu besetzen.
Auch die Kantonspolizei wird im offenen Brief erwähnt. Die Autor*innen kritisieren, dass selbst für Polizistinnen und Polizisten kein Teuerungsausgleich vorgesehen sei, obwohl die Kantonspolizei bereits heute unter Personalmangel leide. «Wie sollen wir weitermachen, wenn uns noch mehr Polizistinnen und Polizisten den Rücken kehren?», fragen sie.
Vergleich mit anderen Kantonen
Der Brief verweist zudem auf kantonale Vergleiche. Der Aargau investiere bereits heute weniger pro Kopf in seine Bevölkerung als andere Kantone. Konkret liege der Kanton laut den Verfassenden bei rund 70 Prozent des Schweizer Durchschnitts und bei etwa 60 Prozent des Kantons Zürich. Auch bei den Personalausgaben der Verwaltung liege der Aargau im interkantonalen Vergleich am unteren Ende.
Diese Sparpolitik werde, so die Kritik, nicht bei einem Überfluss angesetzt, sondern treffe das gesellschaftliche Fundament. «Sie kratzen bereits am Boden des Topfes», schreiben Jean-Richard und Odermatt.
Attraktivität und soziale Folgekosten
Ein weiterer Punkt betrifft die Standortattraktivität. Ein tiefer Steuerfuss allein mache den Kanton nicht attraktiv. Entscheidend seien funktionierende Schulen, Gesundheitsversorgung, Infrastruktur und verlässliche staatliche Leistungen. Wer hier spare, riskiere langfristig höhere Kosten, etwa in den Bereichen Gesundheit, Sicherheit und Sozialhilfe.
Besonders kritisch sehen die Autor*innen Kürzungen bei Angeboten für sozial schwächere Menschen. Eine Schuldenberatung koste weniger, als sie langfristig einspare, argumentieren sie. Weniger Unterstützung könne hingegen zu höheren Folgekosten führen.
Forderung nach Begründung und Dialog
Abschliessend kritisieren Jean-Richard und Odermatt, dass die vorgesehenen Kürzungen aus ihrer Sicht nicht ausreichend begründet worden seien. «Sie destabilisieren unseren Zusammenhalt und unsere Attraktivität, ohne den Dialog zu suchen», heisst es im offenen Brief. Der Grosse Rat schulde der Bevölkerung eine Erklärung, weshalb Investitionen in die gemeinsame Zukunft nicht Priorität hätten.