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Kommentar
Magazin
04.12.2023

Laut gedacht: Es ist hart, hart zu sein

Bild: Unsplash
Letzthin hat mich am Bahnhof ein Mann angesprochen. Er sagte zu mir, dass er aus Moldawien stamme, darum in der Schweiz nicht arbeiten dürfe und nun versuche genug Geld zu sammeln, um mit dem Zug heim zu fahren. Er zückte sein Iphone und zeigte mir, dass ein Billett um die 150 Franken kosten und die Reise 30 Stunden gehen würde.

Am besten sei es, wenn wir gleich eins lösen könnten am Automaten. Als ich ihm dann vorschlug, er solle doch schauen, ob er bis Buchs oder Zürich «stöppeln» könnte, da dann die Reisekosten minimiert werden könnten, wurde er schon fast ein wenig aggressiv mir gegenüber. Mich beschlich ein ungutes Gefühl und ich sagte zu ihm, dass ich noch einen Termin im Prättigau habe und drum gehen müsse. Daraufhin schrie er mir nach, ich solle doch hierbleiben, er habe verdammt nochmals Hunger. Auch wenn ich somit den Beweis hatte, dass er gar nicht nach Hause, sondern nur mein Geld wollte, überkam mich eine gewisse Melancholie, als ich ihn dort einfach stehen liess. Schon in meiner Kindheit hatte ich einen gewissen Helferkomplex, der vor allem bei Bettlern dafür sorgte, dass ich nicht mehr logisch denken konnte. Bis zum heutigen Tage wurde ich wegen meiner Hilfsbereitschaft regelmässig ausgenutzt und auch schon über den Tisch gezogen von Geschäftspartnern. Ich kann einfach wirklich schlecht nein sagen und doch finde ich es wichtig zu helfen, wenn man auf der Sonnenseite des Lebens angekommen ist, eine gesunde Familie und stets einen vollen Kühlschrank hat. Wenn ich mit meinem Sohn unterwegs bin und wir einen Bettler treffen, darf er immer einen «Rapp» in den Hut werfen, da ich es wichtig finde, dass er lernt, dass «alles zu haben» keine Selbstverständlichkeit ist. Dies auch wenn man drüber diskutieren kann, ob man in der Schweiz überhaupt betteln muss. Nun hoffe ich einfach, dass ich weiterhin Menschen unterstützen kann, die nicht so viel Glück hatten wie ich und dass dieses Gefühl von Härte gegenüber von Gaunern sich irgendwann nicht mehr so hart anfühlt.

Christian Imhof