Wer soll also den Platz an der Seitenlinie mit dieser leichten Prise Erwartungsdruck übernehmen? Die Verantwortlichen um Frauenfussball-Direktorin Marion Daube entscheiden. Nur: Die Auswahl hält sich in Grenzen. Grundanforderungen sind das höchste Trainerdiplom, die UEFA Pro Lizenz, als auch Kenntnisse über den (Schweizer) Frauenfussball.
Die Kombination beider Voraussetzungen lenkt die Kandidatensuche stark und engt den Kreis der Möglichkeiten ein: Eine Schweizerin wird es wohl nicht werden, lediglich deren drei sind in Besitz einer UEFA Pro Lizenz. Die Erste ist Ex-Natitrainerin im Ruhestand (Beatrice von Siebenthal), die Zweite Head Coach bei den Ghanaerinnen (Nora Häuptle) und die Dritte trainiert die FC St.Gallen-Frauen (Marisa Wunderlin).
Sucht man also lizenzierte Schweizer? Eine Handvoll von den rund 100 Schweizer Pro Lizenz-Inhabern bringt Erfahrung im Frauenfussball mit. Beispielsweise absolviert der ehemalige Servette-Chênois-Féminin-Trainer Eric Sévérac gerade die UEFA Pro Lizenz. Oder aber wendet man sich an Frauen aus dem Ausland mit der nötigen formalen Befähigung?
Hohe Hürden für Trainerinnen
Grund für die begrenzte Anzahl an lizenzierten Frauen sind Anforderungskriterien der Trainerdiplome. In manchen Reglementen sind die Zulassungsbedingungen für Weiterbildungen nämlich so definiert: Während Frauen mindestens ein U19-Team trainiert haben müssen, reicht den Männern Erfahrung mit einer U14-Mannschaft.
Ausserdem sind beim Athletiktest – wie dem Ballführen um den Mittelkreis – geschlechterübergreifend die gleichen Zeiten gefordert, weiss Marisa Wunderlin.
Zahlen bestätigen: Auf der tieferen Stufe des C-Basic-Diploms liegt der Frauenanteil bei etwa fünf, bei der A-Lizenz unter einem Prozent. Dabei ist Wunderlin überzeugt: «Es gäbe ganz viele Frauen mit dem Biss und der Qualität, die Pro Lizenz zu erhalten», wie sie im «SRF»-Podcast Sykora Gisler sagt.
Die 36-Jährige forderte bereits in mehreren Interviews, das strukturelle Problem anzugehen. Mit proaktivem Verhalten sei an die Frauen heranzutreten, wie es England zu tun pflege. Dort gibt es eine andere Kursgliederung mit Schulungen für Frauen.
Und man spricht Spielerinnen während ihrer aktiven Karriere direkt an. Diesen Schritt machen zurzeit auch acht Schweizer Natispielerinnen. Sieben von ihnen absolvieren in einem hybriden Modell das Basic-C-Trainerdiplom, eine Spielerin qualifiziert sich schon auf höherer Stufe.
Andere Länder, andere Sitten
Aktiven Spieler und Spielerinnen mit dem Status «National» wird beim SFV – wie bei so vielen nationalen Verbänden – der Einstieg ins Trainergeschäft erleichtert. Unter anderem sind statt 36 Monate nur 24 Monate Mindestaktivität als hauptverantwortliche Trainerin Bedingung für die Teilnahme am Assessment Pro Lizenz. Der Zeit- und Finanzaufwand hat es für alle beide in sich: 12’000 Franken kostet und 18 Monate dauert der Aufstieg in die Coachingelite.
An diesem Punkt variieren die Standards der einzelnen Verbände, lediglich Kurspreis und -dauer sind konzeptübergreifend ähnlich: Brasilien vergibt Plätze für die Pro Lizenz ausschliesslich auf Einladung, Argentinien verlangt bloss einen Nachweis von 80 Stunden Berufspraxis und Südafrika führt den A-Coachingkurs nach sieben Jahren Unterbruch endlich 2024 wieder durch.
Eine eigene Schiene ist die USA bis anhin gefahren. Da hatte die UEFA B-Lizenz einen tieferen Stellenwert als die US-B-Lizenz. Jetzt will sich der amerikanische Verband USSF den UEFA-Grundsätzen anpassen, sodass sich die Standards der Trainerausbildung vereinheitlichen.
Klare Entscheidungen für die Trainerentwicklung
Zurück zum Traineramt der Frauennati: Für die Stellenbesetzung hält ein Verband nach UEFA Pro Lizenzierten mit der gewünschten Fussballkompetenz Ausschau und legt in einem Interviewprozess auch Wert auf Philosophie und Empathie.
Bei Rekordweltmeister USA sah die neue Trainerwahl jüngst so aus, dass sich die Verantwortlichen unter anderem nach Tests zum abstrakten Denken, einer Bewertung der Reaktionen auf Druck und der Interaktion mit Spielern und Mitarbeitern für Emma Hayes entschieden haben. Eine Engländerin, die die Chelsea FC Women innerhalb von elf Jahren zu 15 Titeln geführt hatte.
Gut möglich also, dass auch an der Schweizer Seitenlinie nach zuletzt zwei Deutschen und einem Dänen erneut internationale Präsenz steht.
Beim nächsten Trainerwechsel stehen dem SFV bestenfalls mehr Kandidaten zur Auswahl, wenn er jetzt die richtigen Hebel ansetzt. Eine Basis schaffte der Verband mit seiner Strategie 2021-2025 – nun fehlen noch die klaren Entscheidungen.
Für Marisa Wunderlin heisst das auch, mehr Leute aus dem Frauenfussball und mit dem Feuer dafür direkt einzubeziehen: «Wer macht was bis wann und wie messen wir es, los!», sei die gewinnbringende Marschrichtung.
Bis im Januar will der SFV konkrete Gespräche geführt haben, um im Februar einen finalen Vertrag mit dem neuen Coach abzuschliessen. Wer übernimmt, ist völlig offen.