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Schweiz
25.07.2024

Eine Insel voller Musiktalente

Bild: Sandro Zoller, Schaffhausen24
96 junge Musiktalente aus 33 Ländern verfeinerten ihr Spiel auf der Musikinsel Rheinau unter Anleitung diverser Musikexperten. Denn vom 12. bis 21. Juli fand die 14. Youth Classics Swiss International Music Academy (SIMA) für Violine, Viola und Violoncello statt.

«Die Akademie ist eine private Initiative und leistet einen Beitrag zur Talentförderung. Eine unserer Stärken ist sicher, dass wir verhältnismässig viele Bewerbende zulassen», erzählte der Medienverantwortliche Andreas Weidmann auf dem Weg durch die Gänge in den Innenhof der Klosteranlage. Zwei 17-jährige Musikerinnen stellten sich für ein Interview zur Verfügung und sollten in Kürze dazustossen. «Musikschulen sind für die Breitenförderung zuständig und, bildlich erklärt, in einer Pyramide unten. Wir hingegen sind in der Spitze anzusiedeln. Unser Ziel ist es Musizierende mit Potenzial auf ihrem Weg zu unterstützen», so Andreas Weidmann. Dazu würden sie stets versuchen nur die besten der Musikbranche als Dozierende zu gewinnen. Dieses Jahr gaben unter anderem der deutsche Violinist, Pädagoge und Dirigent Philip A. Draganov, die argentinisch-deutsche Geigerin Ana Chumachenco und der ukrainische Violinist Pavel Vernikov ihr Wissen weiter.

«Die Hälfte der Kosten ist durch Beiträge der teilnehmenden Musikerinnen und Musiker gedeckt. Den Rest versuchen wir über das Sponsoring hereinzuholen. Das ist ein Unterfangen, das immer herausfordernder wird», sagte der Medienverantwortliche und fügte bedauernd hinzu: «Nun ist auch noch eine grosse Bank weggefallen.»

Musik ja, aber nicht nur Klassik

Über 300 Musikerinnen und Musiker haben sich für den 14. Meisterkurs für Violine, Viola und Violoncello beworben. Die 96 Talentiertesten und Vielversprechendsten wurden auserkoren. Darunter befanden sich ebenfalls die Violinistin Selina Disch aus Winterthur sowie die Cellistin Yuna Dierstein aus Freiburg im Breisgau. Beide besuchen nebst der Kantonsschule oder dem Gymnasium ein PreCollege, um sich optimal auf ein Musikstudium vorzubereiten. «Meine Mutter ist eine Pianistin, mein Vater ein Schlagzeuger und meine Schwester spielt Geige. Die Musik begleitet mich schon lange», so Yuna Dierstein. Andreas Weidmann kommentierte ihre Aussage schmunzelnd: «Das ‹Rebellieren› fand somit über die Auswahl eines klassischen Instrumentes statt.» Auch in der Familie von Selina Disch hat Musik einen hohen Stellenwert: «Ich habe immer gerne meiner Mutter beim Musizieren zugehört. Eines Tages begann ich selbst damit.»

Und was hören Instrumentalistinnen für Songs? Bei dieser Frage waren sie sich einig. Sie seien offen für etliche Stilrichtungen. Dabei müsse das Lied auch nicht komplex sein, solange es sich nicht um Schlager handle. «Auf dem Cello macht Bach sehr viel Spass – wegen des Flusses und der Harmonie», sagte die Freiburgerin. Abseits des Musizierens sei es schön, etwas anderes als Klassik zu hören.

«Ehrlichkeit gegenüber dem Instrument und sich selbst ist essenziell.»
Zeljko Haliti, Renomierter Klangspezialist

Möglichkeiten, die es so nur selten gibt

Es gibt diverse Herangehensweisen und Dinge zu beachten, damit ein Stück einzigartig klingt. Eine Variante ist, das Lied dem Text anzupassen, erklärte Yuna Dierstein: «Man sagt, dass das Cello nahe bei der Stimme ist. Deshalb macht es Sinn, das Spielen den Lyrics anzupassen.» Dazu meinte die Violinistin: «Es gibt zwei Probleme. Einige Lieder sind auf Latein, wodurch ich wenig bis nichts verstehe, oder haben gar keinen Text.»

In der Music Academy in Rheinau können die Teilnehmenden solche Schwierigkeiten ansprechen und dadurch mehr aus ihren Stücken herausholen. Wo sonst gäbe es die Möglichkeit, auf kleinstem Raum eine Fülle an Expertise zu haben, fand Yuna Dierstein, welche bereits das zweite Mal dabei ist: «Dies ist eine einmalige Chance, mit bekannten Musikern zusammen zu üben.»

Ab 13 und spätestens mit 25 Jahren kann in den Genuss dieses Angebots gekommen werden. Dieses Jahr sei sogar eine Neunjährige dabei. «Es ist meine vierte Teilnahme. Ich habe festgestellt, dass unterdessen die Selektion schärfer ist», sagte Selina Disch.

Jeder Meisterkurs setzt einen anderen Schwerpunkt. Im 2023 wurde das Thema Audition behandelt. Dieses Jahr drehte sich vieles um den Spezialgast Christian Tetzlaff, einer der gefragtesten Violinisten und spannendsten Musiker der Klassikwelt. Altvertraute Stücke lässt er in völlig neuem Licht erscheinen. Er spielt auf einem Instrument des deutschen international gefeierten Geigenbauers Stefan-Peter Greiner, welcher zum fünften Mal bei der SIMA mit von der Partie war. Für ausgewählte Teilnehmende bot Christian Tetzlaff einen «Interpretationskurs Brahms» an. Während der «Bock» vor Ort war, konnte er ihn in Aktion verfolgen. Die wenigen dargebotenen Verbesserungsvorschläge für die Violinistin auf der Bühne versprühten Leichtigkeit und Schönheit. Um die Qualität seines Spiels zu erkennen, muss kein grosses Musikverständnis bestehen.

Beide jungen Musikerinnen sind realistisch, was ihre Karrieren anbelangt. «Als Solistin würde ich gerne in Zukunft auftreten. Aber um davon zu leben, ist die Konkurrenz zu gross. Das sehe ich bereits hier», stellte Selina Disch nüchtern klar.

In den Gruppen- und Privatlektionen gehe es nicht ausschliesslich um das Musizieren. So habe Philip A. Draganov ihnen klargemacht, dass Wettbewerbe nicht als Mass aller Dinge angesehen werden sollen. «Gutes Gelingen ist von vielen Faktoren abhängig. Es kann einiges passieren. Wir sollen uns deshalb nicht damit messen, sondern auf uns selbst fokussieren. Sich nicht mit anderen zu vergleichen, ist aber nicht einfach», gestand die Winterthurerin ein.

Stets könne einiges aus dem Meisterkurs mitgenommen werden, sagte Yuna Dierstein: «An vielen Konzerten kann man teilnehmen und sehen, was die anderen draufhaben. Daraus übernehme ich für mich relevante Dinge.» Auch die Violinistin hat durch kleine und unerwartete Hinweise Verbesserungen erzielt: «Die Physiotherapeutin Brigitte Gerber-Zaugg machte mich darauf aufmerksam, dass ich falsch stehe. Seit ich das Gewicht auf den Aussenrist verlagere, wirkt der Klang meines Spiels geerdeter.»

Symbiose von Instrument und Musiker

In der Welt von Harry Potter wählt der Zauberstab seinen Halter aus. Die Violine und die Person müssen ebenfalls füreinander geschaffen sein. «Ein Instrument kann in den einen Händen gut und in den anderen schlechter klingen», erklärte der international renommierte Klangspezialist Zeljko Haliti. Nach ein paar Tönen sei es ihm möglich festzustellen, ob Besitzer und das Saiteninstrument zueinander gehören oder nicht. «Ich erkläre den Musizierenden immer, dass sie sich auf ihr Instrument einlassen und es verstehen müssen.» Dieses Jahr habe er nur zwei Teilnehmende ausmachen können, welche ein anderes «Gerät» suchen sollten. Ein weiteres Problem: Manche seien zu introvertiert und würden sich deshalb auf der Bühne nicht öffnen und somit Emotionen zurückhalten, hielt der Geigenbauer Stefan-Peter Greiner in seiner Werkstatt auf Zeit fest: «Damit alles stimmt, müssen drei oft auftretende Probleme gelöst werden: Luft nach oben bei der Technik des Spiels, zu wenig kraftvolles Musizieren sowie schlechte Positionierung des Instruments.» Es benötige aber Feingefühl, um diese Erkenntnisse weiterzugeben, so Zeljko Haliti: «Man weiss ja nicht, in welcher Verfassung eine Person gerade ist.»

Gemäss Stefan-Peter Greiner ist bei der Wahl der Violine darauf zu achten, dass man sich damit wohlfühlt. Dessen Schlussworte ergänzte der Klangspezialist damit: «Ehrlichkeit gegenüber dem Instrument und sich selbst ist essenziell.»

Zeljko Haliti (l.) und Stefan-Peter Greiner führten das Klangkompetenzzentrum der 14. SIMA. Nebst der Klangoptimierung gab es die Möglichkeit, beim Geigenbauen mitzuwirken. Bild: Sandro Zoller, Schaffhausen24
Sandro Zoller, Schaffhausen24