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23.01.2024

«Bis die Blume wieder spriesste» - Aria Zirell

Das Bemalen von Tabletop-Miniaturen gehört zu Aria Zirells Lieblingsbeschäftigungen.
Das Bemalen von Tabletop-Miniaturen gehört zu Aria Zirells Lieblingsbeschäftigungen. Bild: Ronny Bien
Jeder Mensch hat seine Lebensgeschichte. So auch Aria Zirell, die über eine besondere Biographie verfügt. Beim Gespräch mit dem «Bock» erzählt sie ihre Geschichte, wie sie zur non-binären Person geworden ist.

Mittlerweile lebt sie zurückgezogen in der Schaffhauser Altstadt und kümmert sich hauptsächlich um ihre zwei Pudel Knopf und Kisa. «Sie sind sehr lebendig und halten mich ständig auf Trab», lacht sie, während die beiden Wollknäuel auf ihr herumturnen. Aria arbeitet Teilzeit in einem Altersheim, ansonsten beschäftigt sie sich, abgesehen mit den Hunden, unter anderem mit dem Bemalen von Tabletop-Miniaturen.

Der Friedenswurm mit dem grossen Regenbogenhut

Noch unter dem Vornamen Christian wuchs sie an der Altstadtgrenze auf und wurde als lebendiger, kecker Junge wahrgenommen. Mit dem Hang, auch mal aufzufallen, wie, als sie damals als 18-Jähriger mit ihrem überdimensionierten Regenbogenzylinder und dem Spitznamen «Friedenswurm» durch die Stadt stolzierte. «Ich war für jeden Seich zu haben», erinnert sich Aria grinsend zurück. «Es war eine Phase von rund fünf, sechs Jahren, die mich positiv prägte.» Sie bewegte sich in einem aktiven, liebevollen, freiheitsliebenden und doch etwas verrückten Umfeld, was vielleicht auch den immerwährenden Leistungsdruck des Lebens kompensierte. Als Christian war sie zudem auch sehr musikbegeistert, lernte Bass und später Ukulele, hörte Saga und Alice Cooper rauf und runter, doch das gehört mittlerweile längst der Vergangenheit an. Zwar höre sie schon ab und zu noch rein, aber wenn mal was aus den Boxen erklinge, dann tendiert sie eher mal zu Klassik.

Outing zur Transition

Tief in Aria drin schlummerte jedoch ein anderer Drang. «Schon seit früher Zeit besitze ich immer eine Grundnervosität», erklärt sie. Es sei mittlerweile besser geworden, weil sie mit sich selbst im Reinen sei. Doch damals wurde der innere Druck immer stärker und bewusster, bis sie sich eingestehen musste, dass sie in einem männlichen Körper gefangen war. Nur schon das eigene Outing ist eine grosse Hürde. Sie begann 2013 die Vorbereitungen zur Transition, wollte fortan nur noch mit Aria angesprochen werden. Dank des deutschen Passes, welchen sie nebst der Schweizer Staatsbürgerschaft besitzt, wurden die langatmigen Behördengänge, wie etwa die Namensänderung, beschleunigt.

Auf die grosse OP verzichtet

Inzwischen begann Aria ihre Hormontherapie. Stimmtraining, viele psychiatrische Sitzungen, aber auch der Körper, der teils heftig reagierte, bis die Medikation eingestellt war und auch später immer wieder. Die Psyche auf dem Prüfstand, da sie in dieser Zeit am verwundbarsten war, rutschte Aria zugleich in ein neues Umfeld, als sie in eine Chaos-WG zog und kurz später selbst vor dem Abgrund stand. «Eine dunkle Zeit, aus der ich stärker herauskam. Ich musste mich komplett neu orientieren», erzählt Aria. Dank der Hilfe des SWG (Soziales Wohnen Geissberg) und der Sozialhilfe fand sie glücklicherweise wieder in die Spur zurück. «Sie liessen mich einfach gewähren und dort im Büro arbeiten. So spriesste die Blume in mir plötzlich wieder»

Mit sich im Reinen

Ausser einer Kehlkopfoperation verzichtete sie dann auf weitere Eingriffe und war im Status Quo-Zustand glücklich genug, um das Leben auf diesem Weg weiterzuführen. «Ich wollte damals mit der Vergangenheit abschliessen, bis ich schlussendlich feststellte, dass diese gar nicht so schlimm war», konstatiert Aria. «Ich bin zufrieden mit dem jetzigen Leben als non-binäre Person.» Ihr hilft, dass die Welt mittlerweile diverser geworden und dadurch die Akzeptanz gewachsen ist. Die wenigen Leute, die noch komisch schauen, stören sie längst nicht mehr.

Aria Zirell kümmert sich liebevoll um ihre beide Pudel Knopf und Kisa. Bild: Ronny Bien
Ronny Bien, Schaffhausen24 / Aarau24