Dr. Rüegger betont zwei zentrale Gründe, warum die bewusste Auseinandersetzung mit dem Sterben wichtig sei. Zum einen liege ein existenzieller philosophischer Grund vor, der die eigene Lebensweise betreffe. Ein authentisches und erfülltes Leben gelinge am besten im Bewusstsein der Endlichkeit. Dabei macht er auf folgendes Zitat von Verena Kaster aufmerksam: «Normalerweise denken Menschen nicht an den Tod, aber ihnen ist bewusst, dass man sterben wird. Dankbarer leben, mehr auskosten, Gewinn durch das Wissen, all das gibt Tiefgang.»
Tod als medizinisches Phänomen
Er hebe ebenso hervor, dass Sterben heutzutage ein medizinisches Phänomen sei. Die Mehrheit werde medizinisch begleitet, und es müsse Entscheidungen getroffen werden, wie beispielsweise die Behandlung einer Lungenentzündung. Patienten müssen oft selbst entscheiden, wann sie bereit seien zu sterben und welche Form des Sterbens sie bevorzugen.
Dr. Rüegger unterstreicht die Pathologisierung des Todes in unserer Kultur. Früher war der Tod einfach Teil des Lebens, heute wird gegen den Tod gekämpft. Es gehe nicht nur darum, mit 35 Jahren an Krebs zu sterben, sondern eine Haltung im Alter von 80 oder älter zu entwickeln. Der Tod solle als Realität betrachtet werden, nicht als Katastrophe, und zu einem gesunden Leben gehören.
Ganz wichtig sei es, den jungen Menschen Platz zu machen und ihnen das Leben zu überlassen. Es gehe auch ohne uns, wir sind ersetzlich und sollen eine bescheidene Haltung einnehmen. Es sei wie in der Natur: Blühen, und neues blüht.