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Kommentar
Freizeit
11.05.2024

Symbole sind Symptome – des Unwissens

Jens Lampater schreibt in regelmässigen Abständen eine Kultur-Kolumne im «Bock»
Jens Lampater schreibt in regelmässigen Abständen eine Kultur-Kolumne im «Bock» Bild: Marcel Tresch, Schaffhausen24
An Hauswänden, in der Schule oder auf den Sozialen Medien tauchen Nazi-Symbole immer wieder auf. In seiner aktuellen Kolumne spricht Jens Lampater dieses Thema an.

Vor Kurzem habe ich zum ersten Mal seit Langem wieder ein Hakenkreuz gesehen: Am Eingang eines Wohnblocks in der Frauengasse, oberhalb der Namen und Klingelschilder, hatte es jemand in schwarzer Farbe angebracht. Offenbar war bereits der Versuch unternommen worden, es wegzuwischen – dennoch war das Hakenkreuz deutlich erkennbar. Wie ein übler Gestank, der nicht verfliegen will.

Bis Hysterie verfliegt

Die von mir gemachte «Entdeckung» ist leider nichts Aussergewöhnliches: Auch in Schulen, so erfahre ich sowohl aus den Medien als auch über meine Kinder, tauchen Nazi-Symbole immer wieder auf. Dabei weniger als Schmierereien, sondern vielmehr in den Sozialen Medien wie WhatsApp und Snapchat, zusammen mit Hitler-Memes und Goebbels-GIFs. Sobald das öffentlich bekannt ist und ein Skandal erklärt wird, beschwichtigen die Behörden und sprechen von Einzelfällen, daneben wird mit drakonischen Massnahmen signalisiert, dass man die Problematik ernst nehme. Bis die mediale Hysterie verflogen ist. Damit ist vielleicht ein Symptom behandelt, an der Ursache des Problems wird aber nicht gearbeitet. Das wäre nur mit einem klaren Bekenntnis zur historischen Bildung möglich und damit zu einem Geschichtsunterricht, in dem der Holocaust nicht als blosse Fussnote des 20. Jahrhunderts im Fach «Räume, Zeiten, Gesellschaften» gestreift wird.

Konfrontation der Geschichte

Als Enkelkind der Tätergeneration habe ich im Laufe meiner schulischen Laufbahn im Deutschland der 80er und 90er-Jahre das ganze Programm deutscher Vergangenheitsbewältigung durchlaufen: Mit 13 Besuch der KZ-Gedenkstätte in Dachau, mit 15 Besuch der Orte jüdischen Lebens in Speyer und Worms, mit 17 Besuch des jüdischen Friedhofs in Prag und der KZ-Gedenkstätte Theresienstadt. Spassige Schulreisen waren das nicht unbedingt. Doch durch die Konfrontation mit den Zeugnissen des dunkelsten Kapitels der Weltgeschichte weiss ich, wofür das Hakenkreuz steht.

Für Frieden einstehen

Diesen Mittwoch jährt sich der Tag der Befreiung und damit der bedingungslosen Kapitulation von Nazi-Deutschland zum 79. Mal. Bekanntlich war das Kriegsende auch Auslöser für die Internationalen Bachfeste Schaffhausen, die seit 1946 jeweils mit der h-Moll-Messe und dem Ruf «dona nobis pacem» enden. Ich wünsche mir, dass mit der frommen Friedensbitte auch die Erkenntnis reift, dass zukünftige Generationen nur für Frieden und Solidarität werden einstehen können, wenn sie die Bedeutung von Symbolen wie dem Hakenkreuz kennen.

Schaffhausen24