Dem FC Schaffhausen wird wohl bald der Stecker gezogen, wenn nicht ein Wunder eintritt. Die Liquidität ist aufgebraucht, und ob wie die Löhne der Mitarbeitenden und Schulden der Gläubiger bezahlt werden sollen, steht scheinbar in den Sternen. Zur Schuldlast gehört vor allem das Stadion, das jährlich rund 1,2 Millionen Franken an Unterhaltskosten frisst. Eine Sanierung, wie sie beispielsweise Aniello Fontana in den 1990er-Jahren erfolgreich umsetzte, ist völlig unrealistisch – klafft mittlerweile doch ein Loch von über 20 Millionen Franken in der Kasse, nimmt man die Schulden der WIR-Bank dazu. Einziger Rettungsanker scheint das aktuelle Verhandlungsgerücht mit dem nepalesischen Bierunternehmer Rajendra Khetan zu sein, der offenbar in den FCS investieren will. Immerhin: Geld wäre bei ihm vorhanden, hat der letztjährige Gorkha-Bier-Verkauf an Carlsberg doch rund 600 Millionen Franken eingebracht.
Der «Bock» blickt auf die Chronologie dieser ewigen Stadionposse. Es wäre zu einfach, mit dem Finger auf einzelne Personen zu zeigen, denn über die Jahrzehnte ist zu erkennen, dass die ganze Entwicklung zu dieser Misere beitrug.
Trotz Ja zum Sportplatz geschah nichts
Als das Breitestadion am 13. August 1950 eröffnet wurde, war die vordere Breite noch relativ weitläufig und von Sportvereinen in Beschlag genommen. Das Schulhaus Breite wurde erst drei Jahre später eingeweiht, das KSS-Freibad und die Eisbahn folgten 1966. Die Pflanzgärten hingegen wurden während des Zweiten Weltkriegs bei der staatlich angeordneten Ackerbauausdehnung errichtet, wie 1941 im Gruben. Ein Jahr später konnte die Stadt mit dem FCS vereinbaren, dass der Club mit anderen Vereinen den Sportplatz bei der Emmersbergschule teilte, während die eigentlich für den Fussball gedachten Grünflächen zwischen im Schützenhausgebiet für den Ackerbau freigegeben wurden.
Für FCS-Präsident Max Brunner war dies ein herber Rückschlag. Nach einer Volksabstimmung von 1935 mit dem deutlichen Verdikt von 3351 zu 443 Ja-Stimmen hätte eigentlich eine Sportanlage entstehen sollen. Doch Gegner blockierten das Vorhaben weiterhin. Bei der Budgetdebatte 1939 wurde sogar beantragt, den Sportplatz nicht zu finanzieren, was jedoch klar abgelehnt wurde. Die «sanfte Enteignung» durch den Ackerbau war jedoch nicht mehr aufzuhalten. 1947 wurde ein neuer Kreditantrag mit 3874 zu 2615 Nein-Stimmen abgelehnt. Der Stadiontraum schien geplatzt.
Entscheidende Kneipentour
Kurz darauf ertränkte der Coffex-Inhaber seinen Frust bei einer Kneipentour im Beisein seines Freundes Stanley Rous. Dieser war kein Geringerer als der Präsident des englischen Fussballverbands. Rous schlug Brunner vor, nochmals einen Vorstoss zu wagen. Dabei würde er die englische Nationalmannschaft zu einem Propagandaspiel in die Munotstadt holen. Gesagt, getan. Eine Woche vor der erneuten Kreditabstimmung trat der FCS gegen die B-Elf Englands an und entfachte trotz der 0:6-Pleite eine Solidaritätsbekundung durch die 6000 Fans, was sich dann an der Urne auszahlte. Mit 3364 zu 2565 Ja-Stimmen wurde der Kredit angenommen und der Grundstein für das Stadion Breite gelegt.
Mit der neuen Spielstätte begann einer der erfolgreichsten Ären des FCS. 1955 stieg der Verein erstmals in die Nationalliga A auf und etablierte sich während zehn Jahren im nationalen Fussball mit einer ganzen Stadt im Rücken, ehe zwischen 1965 und 1969 der tiefe Absturz bis in die 2. Liga folgte. Interne Streitigkeiten brachten den Klub an den Rand der Auflösung. Am 5. September 1969 wurde John Keiser zum neuen Präsident gewählt, stabilisierte den Verein und brachte den FCS 1973 zurück in die 1. Liga. 24 Jahre nach der Eröffnung, im Sommer 1974, glänzte das Stadion Breite nach Eigenfinanzierung erstmals bei einem Abendspiel im Scheinwerferlicht, nachdem bereits 1962 ein Kreditantrag für eine Flutlichtanlage an der Urne bachab geschickt wurde.
Erste Versuche 1962
1981 gründete sich ein Komitee zur Umsetzung zweier Sporthallen in Herblingen und neben dem Breiteschulhaus. Für die anliegenden Schrebergärten wurde im Hauental ein neuer Standort geschaffen. Dies rief auch den FCS auf den Plan: Die Garderoben waren sanierungsbedürftig, der Tribünenkomplex veraltet, und es fehlte Platz für den Nachwuchs.
Bereits 1962 hatte Architekt Emil Winzeler eine Skizze für eine Stadionerweiterung eingereicht – inklusive Gegentribüne, Trainingshalle und Parkplätzen. Doch spätestens mit dem Abstieg in die 2. Liga gerieten diese Pläne beim Stadtrat in Vergessenheit.
Am 18. Mai 1984 forderte eine FCS-Delegation mehr Trainingsplätze und eine Tribünensanierung. Der Stadtrat bot die Nutzung von Schulwiesen sowie drei Felder im Herblingertal an, doch der Verein lehnte dies ab und startete zur NLB-Aufstiegsfeier eine Petition mit über 1400 Unterschriften. Gefordert wurde die Verlegung der 89 Schrebergärten ins Hauental, um Platz für Trainingsfelder zu schaffen. Stadtrat Jörg Aellig reagierte verärgert, da er eine schrittweise Sanierung mit einer neuen Gegentribüne geplant hatte.
1986 wurde die Haupttribüne für 390 000 Franken saniert. Der Verein konnte die vereinbarten Unterhaltskosten von 20 000 Franken nicht tragen, weshalb der ursprüngliche Betrag von 6000 Franken bis 1989 beibehalten wurde. Trotz sportlichem Erfolg blieb der FCS überschuldet. Als Aniello Fontana 1991 übernahm, betrug die Schuldlast 267 000 Franken, 1992 lag das budgetierte Defizit bereits bei einer Million. Ein Sanierungsgewinn von 645 000 Franken senkte das Defizit auf 367 000 Franken. 1997 lag es noch bei 200 000, 1999 erwirtschaftete Fontana ein Plus von 10 000 Franken – der FCS war schuldenfrei.
Baurechtsvorhaben scheitert
Im Herbst 1997 wurde das Stadion erneut zum Thema. Der FCS spielte mit einer provisorischen Lizenz, und mit dem Aufstieg der SVS wurde der desolate Zustand der Breite offensichtlich. Präsident Aniello Fontana wollte das Baurecht, um die Anlage für 1,8 Millionen Franken zu sanieren, wovon die Stadt einmalig 600 000 Franken übernehmen sollte. Doch der Grosse Stadtrat lehnte die Motion mit 45:0 Stimmen ab. Stattdessen wurden verschiedene Optionen ausgearbeitet, darunter eine Sanierung mit seitlicher Erweiterung sowie ein Neubau auf der Breite oder im Herblingertal. Fontana wehrte sich jedoch vehement gegen eine Verlegung. Immerhin wurde die Breite im Jahr 2000 einer notdürftigen Sanierung unterzogen.
Im Januar 2003 sprach sich der Stadtrat für ein neues Stadion und den Ausbau der Sportplätze zwischen Bühlplatz und Nordstrasse aus, was auch der Spielvi entgegengekommen wäre, lag ihnen der SFV infolge eines Garderobenstreits doch im Nacken. Ein Teil der Stadtplanungskommission bevorzugte jedoch Herblingen, ehe Gerüchte aufkamen, dass ein privater Investor die Sanierung der Breite-Anlage finanzieren würde. In Wahrheit wollte das Generalunternehmen Marazzi die beiden Standorte Breite und Herblingertal überprüfen, stieg jedoch im Juni 2004 wieder aus.
Unter dem Druck der Liga, da die provisorische Lizenz nur bis 2006 gültig war, entschied sich die Spezialkommission um Alfons Cadario (EVP) für den Ausbau der Breite und gegen einen Neubau in Herblingen. Die SP widersetzte sich und forderte den Umzug. Sogar eine Petition zur Verlegung der Herbstmesse wurde lanciert.
Notlösung Herblingen
Als bis Ende 2005 immer noch keine Bewegung in die Geschichte kam, sah sich FCS-Präsident Aniello Fontana gezwungen, aus der Not heraus eine Alternative im Herblingertal zu prüfen. Erschwerend war, dass das Fassungsvermögen von 10 000 Plätzen gemäss Lizenzvorgabe nicht unterschritten werden durfte. Er schätzte damals, dass eine Investition von 15 Millionen Franken genügen würde. Die dafür benötigte Umzonung wurde im Juni 2007 vom Grossen Stadtrat einstimmig durchgewinkt.
Wieder mit Marazzi im Boot stellte Fontana ein 150-Millionen-Projekt mit Mantelnutzung vor. Zwei Jahre später wurde die Baubewilligung für den FCS-Park erteilt. Da jedoch die nötigen Mieter fehlten, stieg der Unternehmer 2010 erneut aus. Ein Jahr später fand er mit «Porr Suisse» als Totalunternehmer einen neuen Partner. 20 Millionen Franken waren für ein 8000er-Stadion sowie einen Mantelteil für 85 Millionen Franken vorgesehen. Einen einmaligen Zustupf von 2 Millionen sowie eine jährliche Leistungsvereinbarung von 60 000 Franken, die der Grosse Stadtrat aufgrund eines Referendums vors Volk brachte, schmetterte dieses jedoch im März 2015 ab.
Das neue Stadionprojekt nahm in abgespeckter Version und mit einem neuen Generalunternehmen, Methabau, sowie Namensgeber Lipo dennoch Fahrt auf. Am 28. August 2015 erfolgte der lang ersehnte Spatenstich.
In Schieflage geraten
Die Eröffnung des LIPO Park 2017 sollte die Zukunft sichern, doch die Erstellungskosten von 60 Millionen Franken wurden zur Last. Frustrierend für Aniello Fontana war, dass kurz darauf die Swiss Football League die Mindestkapazität auf 5000 Plätze senkte.
Nach Aniello Fontanas Tod im Januar 2019 übernahm sein Schwiegersohn Marco Truckenbrod Fontana den FCS, doch finanzielle Schwierigkeiten brachten den Klub an den Rand der Insolvenz. Am 30. Juni 2019 übernahm Roland Klein die FC Schaffhausen AG sowie 91,79 Prozent der Stadion Schaffhausen AG für einen symbolischen Franken. Schnell zeigten sich Differenzen bei finanziellen Verpflichtungen und der Führung. Klein hielt sich oft bedeckt, was Spekulationen und Unruhe förderte. Ebenfalls kehrte Murat Yakin als Trainer zurück. Er investierte in die Infrastruktur des Vereins, bestritt aber eine finanzielle Beteiligung. Während der FCS sportlich stabiler wurde, eskalierten hinter den Kulissen die Konflikte. Klein wurde wegen fragwürdiger Geschäftspartner wie dem Finanzdienstleister Berformance kritisiert. Dieser übernahm 2023 das Namensrecht des Stadions, doch im Mai 2024 wurden Christian Lux und weitere Beteiligte wegen mutmasslichen Millionenbetrugs festgenommen. Der FCS distanzierte sich sehr spät und erst unter der neuen Führung von Berformance.
Vieles im Unklaren
Im Dezember 2023 zog sich Klein operativ zurück, blieb aber Alleinaktionär. Jimmy Berisha übernahm als CEO und VR-Präsident und erkannte, dass der FCS finanziell auf der Intensivstation liegt. Immerhin war er bestrebt, mit den Gläubigern nach transparenten Lösungen zu suchen. Berisha kommunizierte offen, teils zu offen – geplante Deals, etwa mit saudischen Investoren, scheiterten.
Im Januar kündigten die Zürcher Bauunternehmer Fitim und Boletin Hasani überraschend die Übernahme des FCS an – wohl auf Initiative von Klein. Doch die Aktien wurden bis heute nicht übertragen. Unklar ist auch, ob Löhne und Sozialabgaben bezahlt sind oder wer überhaupt das Sagen hat. Schon oft stand der Klub vor brenzligen Situationen, und stets wurde eine Lösung gefunden. Doch dieses Mal sind die Hürden so gross, dass es kaum Hoffnung auf ein Happy End gibt.