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Schweiz
24.04.2025

Gebaut, geschätzt, gestorben und gefeiert – 150 Jahre SNB

Seit der Einstellung des Personenverkehrs 1969 verkehren auf der Strecke zwischen Etzwilen und Singen nur noch Sonderzüge sowie die Museumsbahn. Historische Dampfzüge wie hier auf dem Bild erinnern an die grosse Zeit der Eisenbahn.
Seit der Einstellung des Personenverkehrs 1969 verkehren auf der Strecke zwischen Etzwilen und Singen nur noch Sonderzüge sowie die Museumsbahn. Historische Dampfzüge wie hier auf dem Bild erinnern an die grosse Zeit der Eisenbahn. Bild: Johannes von Arx
Kaum aus der Taufe gehoben, musste sie bereits wieder beerdigt werden – die Schweizerische Nationalbahn (SNB). Die länderübergreifende «Volksbahn» sollte die marktbeherrschende Stellung der etablierten Schweizer Privatbahnen brechen. Ihre kurze Existenz reichte aus, um Legendenstatus zu erlangen. Am 27. April findet in Etzwilen die 150-Jahr-Feier statt. Dazu sprach der «Bock» mit Initiant und Zugfan Johannes von Arx.

Auch mit 81 Jahren denkt er noch lange nicht ans Aufhören. Sein Hobby ist auch sein Beruf. Johannes von Arx ist als freier Journalist tätig. Das solide Fundament dafür legte er mit dem Studium am Abendtechnikum als Elektroingenieur. Sein Schwerpunkt liegt bei der Bahntechnik. «Leidenschaft und Hobby kommen gleichermassen zum Zug, wenn ich gelegentlich von einer Blitzidee getroffen werde», strahlt von Arx. Dann «belästige» er zunächst Kollegen und Freundinnen, um zu ertasten, ob die Sache wirklich Fleisch am Knochen hat und es wert ist, weiterverfolgt zu werden. «Die Mehrzahl dieser Blitze enden, ohne weiteren Schaden anzurichten, in der Erde. Andere aber zünden.» Habe ein Gedanke Potenzial, beginne er zu brüten, Teile zu verwerfen und neue Ansätze zu finden. Vor bald zwei Jahren nahm er ein solch erwartungsvolles Projekt in Angriff. Was daraus entstanden ist, können Bahninteressierte am 27. April in Etzwilen hautnah erleben. Dass es ein echtes Herzensprojekt ist, hat zwei Gründe: Erstens liebt von Arx Züge, zweitens lebt er seit acht Jahren in Etzwilen. «Es war der grösste Sprung je an Lebensqualität, dank der Nähe zum Wasser. Immer früher im Jahr zieht es mich förmlich zum Rhein und Untersee: Atem holen, eintauchen, schwimmen und dann noch triefend nass an der Sonne tiefes Glücksgefühl erfahrend», schwärmt er.

Züge begleiten ihn bereits ein Leben lang

An seine erste Zugfahrt möge er sich nicht mehr erinnern. Eine Szene am Bahnhof Langendorf, zwischen Solothurn und Oberdorf, von wo eine Gondelbahn auf den Hausberg Weissenstein führt, sei aber tief im Gedächtnis verankert – villeicht weil er da aufgewachsen sei, so der Elektroingenieur: «Vor dem Personenzug der damaligen Solothurn-Münster-Bahn SMB, mit drei Klassen, ruft der Kondukteur ‹Oberdorf, Gänsbrode, Münschter›. Viel später dämmerte es mir, dass er Gänsbrunnen meinte.»

Wenn er an Züge denke, dann würde vor seinem geistigen Auge direkt eine Flut an Bildern erscheinen. Eine Riesenparade an Rollmaterial. Aber nicht nur Züge alleine, sondern ebenfalls im Zusammenhang mit der Umgebung: Güterwagen in der Schwerindustrie, eine bunte Vielfalt an Kompositionen in Grossbahnhöfen, Zügen auf Brücken, in den Bergen, auf «lost places», also Abstellgleisen, wo ausrangierte Wagen dem Zerfall preisgegeben sind und. «Als Bahnjournalist konnte ich das Entstehen von Zügen in den Rollmaterialindustrien bis zum Rollout verfolgen. Meine Kameras haben unzählige solcher Momente eingefangen», blickt von Arx freudig und mit Stolz zurück.

Johannes von Arx im Selbstportrait. Bild: Johannes von Arx

Imposante Gefährte auf Schienen

Die guten alten, schweren Gotthardlokomotiven mit ihren riesigen Motoren, von Kühlrippen umgebenen Trafos, Ölschaltern und Führerständen, in denen massive Schalthebel und das «Steuerrad» auffallen, haben es dem Zugfan besonders angetan. «Geballte Kraft in einem System, das der Lokführer noch überblickt und notfalls auch reparieren kann. Schier überwältigende Eindrücke.»

Heute fahren fast nur noch kompakte Triebzüge, in denen die Waggons windschlüpfrig ineinander verschränkt sind und deshalb kaum einzeln in Erscheinung treten. Diese Züge gleichen sich zudem immer stärker an. Genau das Gegenteil sei bei den Oldies der Fall gewesen. Ihre damaligen Konstrukteure seien ebenfalls Künstler gewesen. Sie hätten es verstanden, ihre stählernen Wagenkästen, die hohen Anforderungen an Stabilität genügen mussten, mit einer reichhaltigen, ästhetischen und stimmigen Innenverkleidung zu verbinden. «Mit ihrer Liebe zum Detail und der Verwendung ausgewählter Materialien entstanden Personenwagen mit individuellem Charme. Da schaue ich einfach hin, bestaune die ideenreichen Konstruktionen und freue mich ganz einfach», sagt Johannes von Arx, während ein Teil seiner Gedanken zu diesen schönen Waggons reist.

«Insofern dürfen wir gerne annehmen, dass die SNB wertvolle Impulse zur Weiterentwicklung unseres Bahnnetzes in der Fläche gab.»
Johannes von Arx, Journalist, Zug-Fan, Initiant des SNB-Festes

Soweit das Schienennetz ihn befördert

Im Unterschied zu etlichen Zeitgenossen sitzt er am liebsten auf dem oberen Deck der neuen Doppelstock-Fernverkehrszüge von Bombardier. Auch wenn es den Zug in den Weichenbereichen der Bahnhöfe schüttelt, stört ihn das nicht. «Das ist noch immer 1001 mal angenehmer als eine holprige Fahrt in den einstigen Postkutschen.» Wenn immer möglich, geniesst er seine Fahrten im Speisewagen. Ins Ausland fährt er nur noch selten. Das GA gibt ihm die Freiheit, Reisewege nach Lust und Laune zu wählen und neue Gegenden in der Schweiz kennenzulernen.

Vorletzten Samstag habe er sich vorgenommen, im Speisewagen seines ICs von Winterthur nach Olten, in seine Heimatstadt, zu fahren und an einem der geräumigen Tische die Rede für den bevorstehenden Jubiläumsanlass fertigzuschreiben. Denkste. «Wie ich auf den Speisewagen zusteuere, strömt mir eine halbe Völkerwanderung entgegen. Zum Glück ergattere ich noch einen Sitzplatz. Da sich auf dem Boden ein Hund seines Ruheplatzes erfreut, ‹sitzte› dafür der Rucksack auf meinen Knien. Pessimisten würden von einer Sardinenbüchse sprechen. Doch der Optimist nimmt freudig wahr, dass die Stimmung darunter nicht leidet, auch keine nervösen Blicke auf die Uhren – man macht das Beste aus der Situation», resümiert von Arx die Fahrt.

Der längste «Ride» auf Schienen sei eindeutig mit dem Desert Wind im Jahr 1987 gewesen: 5700 Kilometer von San Diego über Los Angeles, Salt Lake City und Chicago bis nach New York – drei Tage Entspannung pur. Einen orientalischen Charakter habe dagegen die Fahrt von Anatolien über Istanbul und durch die damaligen Ostblockländer nach Brig innegehabt.

  • Schienenvelos haben auf der stillgelegten Bahnstrecke von Etzwilen nach Singen Hochkonjunktur. Bild: Johannes von Arx
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  • Bahnhof Etzwilen im Jahr 1992 Bild: zVg.
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Sandro Zoller, Schaffhausen24