Der sogenannte Lattenwerfer von Aarau ist in zweiter Instanz freigesprochen worden. Das Obergericht Aargau kam zum Schluss, dass der Mann nicht mit direktem Vorsatz handelte. Der Entscheid sorgt für Aufmerksamkeit, weil der Vorfall 2023 nur knapp glimpflich ausgegangen war.
Latte durchbohrte Frontscheibe
Im Sommer 2023 hatte der damals 27-jährige Mann Baustellenmaterial von einer Überführung auf die Mühlemattstrasse geworfen. Eine Holzlatte durchschlug dabei die Frontscheibe eines vorbeifahrenden BMW. Der Fahrer blieb körperlich unverletzt, erlitt jedoch einen Schock.
Wie die «Aargauer Zeitung» berichtet, verfehlte die Latte den Kopf des Lenkers um lediglich rund 50 Zentimeter. Der Mann musste sich deshalb vor Gericht wegen Gefährdung des Lebens und Sachbeschädigung verantworten.
Gericht verneint direkten Vorsatz
Trotz vorhandener Zeugenaussagen und Videoaufnahmen, die den Angeklagten beim Werfen der Latten zeigen, kam das Obergericht zum Schluss, dass kein direkter Vorsatz vorlag. Die «Aargauer Zeitung» zitiert aus dem Urteil: Der Mann habe nicht absichtlich Menschen gefährden wollen.
Das führt dazu, dass auch andere Tatbestände nicht erfüllt seien. Die AZ fragt, weshalb keine versuchte oder fahrlässige Körperverletzung zur Anwendung kam. Gemäss Gericht setze versuchte Körperverletzung ebenfalls Vorsatz voraus, der hier nicht gegeben sei. Für fahrlässige Körperverletzung wiederum bräuchte es eine tatsächliche Verletzung. Da der Autofahrer «nur» einen Schock erlitt, sei dieser Tatbestand nicht erfüllt.
Bezirksgericht-Urteil aufgehoben
In erster Instanz war der Angeklagte vom Bezirksgericht Aarau noch verurteilt worden. Die Richter hatten ihn zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 17 Monaten sowie zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen à 80 Franken verurteilt. Zusätzlich wurde eine Busse von 2000 Franken ausgesprochen sowie ein Landesverweis von fünf Jahren angeordnet.
Mit dem Freispruch des Obergerichts ist dieses Urteil nun aufgehoben. Die Staatsanwaltschaft hat jedoch die Möglichkeit, das Urteil weiterzuziehen.
Verteidigung verwies auf fehlende Aggressivität
Bereits im erstinstanzlichen Verfahren hatte die Verteidigung betont, dass der Mann keine aggressive oder kaltblütige Grundhaltung gezeigt habe. Es sei zudem davon auszugehen gewesen, dass die Strasse um drei Uhr morgens weitgehend leer sei. Das Obergericht folgte dieser Argumentation teilweise und sah keinen direkten Vorsatz.
Wie weiter?
Ob der Freispruch bestehen bleibt, hängt nun davon ab, ob die Staatsanwaltschaft weitere rechtliche Schritte einleitet. Der Fall dürfte jedenfalls weiterhin für Diskussionen sorgen, nicht zuletzt wegen des potenziell lebensgefährlichen Ausgangs des Vorfalls.